Chinas Antwort auf David Garrett, oder: Tom meets classic

Was macht ein Mensch auf einem Klassik-Konzert, für den das „Hohe C“ Orangensaft ist und der Liszt – Wagner – Horowitz für die neue erste Angriffsreihe der Hamburg Freezers hält? Oder anders gefragt: Was mache ich auf einem Klassik-Konzert?

 

Die Antwort ist einfach. Zuhören, staunen und genießen. So geschehen am gestrigen Abend in der Aula des altehrwürdigen Rivius-Gymnasiums in Attendorn, Austragungsort für ein Klavierkonzert von und mit Haiou Zhang. Klingt nach Tischtennis, war aber große Kunst. Denn der 1984 in Peking geborene Pianist ist eines der hoffnungsvollen Musiktalente, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Best of NRW“ derzeit auf Tournee durch unser Bundesland sind.

 

Da meine Berührungspunkte mit der klassischen Musik bisher lediglich darin bestanden, dass mir Herr Mozart an manchen Abenden das Einschlafen über mp3 erleichtert, hatte ich mich einfach mal dazu entschlossen, meinen musikalischen Horizont zu erweitern und die vom Kulturring der Stadt Attendorn organisierte Veranstaltung zu besuchen. Und es sollte sich lohnen, so auch der Tenor der rund einhundert weiteren Besucher, die sich den Auftritt des chinesischen Tastaturkünstlers nicht entgehen lassen wollten.

 

Herr Zhang sorgte jedoch mit seiner Begrüßung zunächst einmal für gewaltige Irritationen bei mir. Mit den Worten: „Ich habe mich in der letzten Woche an der Schulter verletzt und muss daher leider das Programm ändern“ kamen bei mir Zweifel auf. Zerrung? Also doch Tischtennis? Nach ein paar Minuten Zuhören war mir klar, warum er dezent auf seine Verletzung hingewiesen hatte. Denn was Haiou Zhang in den folgenden 90 Minuten aus dem Klavier herausholte, war unbeschreiblich.

 

Okay, die Stücke waren natürlich schwere Kost – „Typisch Liszt“, wie mein fachkundiger Sitznachbar meinte. Aber die Art und Weise, wie der Künstler das Instrument beherrschte, sorgte am Ende für standing ovations beim Publikum. Und das bei einem Klassik-Konzert. Meine bescheidene und in Künstlerkreisen sicherlich umstrittene Laienmeinung ist: Was David Garrett an der Geige, ist für mich Haiou Zhang am Klavier. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit spielte er die Stücke der Herren Liszt, Wagner und Horowitz. Und das vollkommen ohne Notenblätter vor der Nase. Was muss dieser Mann in seinem Hirn haben? Ich war beeindruckt.

 

Mein tischtennisspielender Begleiter an diesem Abend brachte es auf den Punkt: „Wenn der Junge so gut Tischtennis spielt wie Klavier, sollten wir ihn direkt für den TV Attendorn verpflichten…“

 

Fazit: Natürlich freue ich mich auf das Dropkick Murphys-Konzert am Samstag in Bielefeld und natürlich werde ich nun nicht zum WDR 3-Hörer. Aber geschadet hat mir der Ausflug in die Klassik auch nicht.

 

Und Liszt - Wagner - Horowitz haben nie für die Hamburg Freezers gespielt...

 

Zur Hör- (und Finger)probe von Haiou Zhang auf youtube.

 

(13.04.2011) 

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