Ich habe es endlich getan. Manche tun es in jungen Jahren, manche etwas später mit Eintritt ins Berufsleben. Manche werden damit geboren. Ich habe 46 Jahre dafür gebraucht. Ich hab mir eine Arbeitshose gekauft.
Letzte Woche. Beim Discounter, günstig und trotzdem schick. So mit richtigen Taschen für Werkzeug und gepolsterten Knieschützern. Und dann natürlich gleich sofort die Luxus-Version. Eine richtige Arbeits-Latzhose ziert jetzt meinen Schrank. So eine, die Peter Lustig vor Neid hätte erblassen lassen. Wenn, ja wenn er nicht vor wenigen Wochen leider endgültig den Hammer aus der Hand gelegt hätte.
Die revolutionäre Nachricht meiner Arbeitshose verbreitete sich in meinem Familien- und Freundeskreis – pardon, meinem ehemaligen Freundeskreis – wie ein Lauffeuer. Tom hat eine Arbeitshose. Topfrage bei 10 von 10 Bekannten war anschließend: "Was willst DU damit?", direkt dahinter auf Platz 2 (8 von 10): "Für wen?".
Man darf es meiner Familie und meinen Freunden – pardon, Ex-Freunden – nicht übel nehmen. Tom in einer Arbeitshose. Das ist wie ein Schalker im gelb-schwarzen Jersey, Margot Käßmann im Petersdom oder Skifahren am Timmendorfer Strand. Also eigentlich undenkbar.
Zu frisch sind in meinem Bekanntenkreis die Erinnerungen an gebrochene Sägeblätter, die eigentlich als unkaputtbar galten, bevor ich die in die Finger bekam. Noch immer zu verärgert sind die Nachbarn in meiner alten Wohnung, nachdem es im ganzen Haus keinen Strom mehr gab, dafür aber mein Fortuna-Mannschaftsposter aus der Saison 2004/05 schön eingerahmt an der Wand hing. Der Gutachter von der Versicherung murmelte etwas von "zu langen Nägeln".
Oder die Situation, als ich – auf den Baustellen im Bekanntenkreis längst zum einfachen Hilfsarbeiter degradiert – die ehrenhafte Aufgabe hatte, einen Staubsauger unter ein Bohrloch zu halten. Selbstverständlich hatte ich zuvor vergessen, den Staubsauger an den Strom zu bringen. Vor Jahren habe ich für Aufregung gesorgt, als ich einem Nachbarn beim Aufschütten von Sand geholfen und mir bereits nach wenigen Minuten schmerzhafte Blasen zugezogen hatte.
Für einen wahren Lachanfall sorgte ich einst bei meinen Söhnen, als ich einer Uhr mit frischer weißer Farbe neuen Glanz verlieh, dieser Farbe jedoch nie die Chance gab, zu trocknen. Nun habe ich ein wunderbares Farbmuster auf dem Laminat unter der Uhr.
„Ach Tom, geh Du lieber Bier holen“, vertraut man mir seit Jahren bei Umzügen eine Aufgabe an, bei der selbst ich nichts falsch machen kann. Bis auf das eine Mal, als trotz Arbeitshandschuhe ein nagelneues Waschbecken den Weg aus dem dritten in den ersten Stock fand. Und mein geschätzter Kollege Hausmeister im Rathaus zuckt jedesmal angsterfüllt zusammen, wenn ich bei ihm nach Hammer und Nägeln frage. Diesen Scherz erlaube ich mir ab und an.
Meine Kollegen vom Bauhof verladen in schöner Regelmäßigkeit Praktikanten, indem sie diese mit dem Auftrag in den Baumarkt schicken, einen Böschungshobel zu kaufen. Ich verstehe den Witz nicht.
Und dann wäre da noch meine Freundin. Die Angeberin hat einen Akkuschrauber und kann damit sogar umgehen. Phhhh....
Aber jetzt hämmer ich zurück. Jetzt habe ich eine Arbeitsbutze.
Nun gut, so richtig konkrete Verwendung habe ich derzeit in der Tat noch nicht für das Teil. Und so häufen sich bei meinen Freunden – pardon, Ex-Freunden – derzeit gut gemeinte Arbeitsvorschläge. Gestern meinte eine Bekannte, ich könne ja mal bei ihr „kärchern“. Keine Ahnung, was das ist. Aber auf so eine Sauerei lasse ich mich nicht ein.
Ich habe gestern erst einmal klein angefangen und in der Latzhose gespült. Danach habe ich einen Nagel in das Flurregal gehauen, um diesem mehr Stabilität zu verleihen.
Der Arzt meint, der Verband kommt in drei Wochen wieder ab. Und dann werde ich es Euch allen zeigen...
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Daniel (Sonntag, 29 Mai 2016 18:51)
Lieber Tom, eine sehr schöne Geschichte. Aber ich kann mir nicht vorstellen dass Dich jemand Bier holen schickt. Bei Deinen Trinkgewohnheiten wäre der Stromausfall sicher das kleinere Übel...